Bei der Herauszüchtung, Erhaltung und Verbesserung erbfester Guppy-Stämme wenden wir das Prinzip der Inzucht an. Inzucht liegt immer dann vor, wenn nahe Verwandte miteinander zur Fortpflanzung gebracht werden, z.B. Vater mit Tochter, Mutter mit Sohn, Bruder mit Schwester. Bei jeder Tier- und Pflanzenzucht, diene sie dem Hobby oder handle es sich um gewerbsmäßige Nutztier- und Nutzpflanzenzucht, ist Inzucht die Voraussetzung für den Erfolg. Es gibt allerdings Arten, die auf Inzucht sofort negativ reagieren. Andere sind dagegen erstaunlich unempfindlich gegen Inzucht. Der Guppy verträgt sie erstaunlich gut, doch bei ihm gibt es Grenzen. Wir können den Guppy über mehrere Generationen in Bruder-Schwester-Paarung züchten, aber dann treten mit Sicherheit Degenerationserscheinungen auf. Meist haben wir dann bei der Zuchtauslese Fehler gemacht, vor allem nicht das Gebot beachtet, nur Starke und vitale Tiere zur Weiterzucht zu verwenden. Oft haben wir uns verleiten lassen, das schönste Männchen zu nehmen. Degenerationserscheinungen können aber auch auf innere, für uns nicht sichtbare Schwächen zurückzuführen sein. Durch die Inzucht werden Erbmerkmale gefestigt und verstärkt, nicht nur die positiven, sondern leider auch die negativen.
Inzuchtschäden beim Guppy zeigen sich gewöhnlich dadurch, dass die Tiere von Generation zu Generation kleiner und schwächlicher werden, langsamer wachsen, anfälliger für Krankheiten werden und dass die Zahl der Jungen von Wurf zu Wurf abnimmt. Das kann bis zu völliger Unfruchtbarkeit des Stammes führen. Die Ursache kann sowohl beim Männchen als auch beim Weibchen liegen. Ehe uns nun der Stamm völlig zusammenfällt und wir ihn aufgeben müssen, sollten wir Gegenmaßnahmen treffen. Und das bedeutet: Einkreuzung.
Dazu sollten wir nun nicht in irgend ein Zoogeschäft gehen und uns ein beliebiges Männchen kaufen. Das würde alles nur verschlimmern. Wir müssen uns ein passendes Männchen zum Einkreuzen suchen.
Angenommen, wir haben einen Filigranstamm, den wir auffrischen müssen. Von Ausnahmen abgesehen, wird das Filigranmuster nur vom Vater auf den Sohn vererbt. Kaufen wir nun ein Männchen, dass das Filigranmuster nicht im Erbgut hat, so verschwindet das Filigranmuster, weil die Weibchen das Muster nicht vererben. Wir müssen also einen Züchter suchen, der gleichfalls Filigranguppys des gleichen Standards züchtet und von ihm ein Männchen erwerben. Dieses Männchen muss nun in unserem Stamm "aufgehen". Dazu dürfen wir das Männchen nicht einfach in unseren Stamm kreuzen, sondern wir dürfen es nur vorsichtig "an" den Stamm kreuzen.
Das erfolgt so: Wir züchten unseren Stamm weiter wie bisher mit geeigneten Zuchttieren. Daneben bauen wir ein zweite Linie mit dem neuen Männchen auf, in dem wir es mit einem oder mehreren Weibchen unseres Stammes paaren. Aus der F 1 dieser Paarung nehmen wir das beste Männchen und paaren es wieder mit Weibchen aus unserem Stamm. Oder wir nehmen ein gutes Männchen aus unserem Stamm und paaren es mit Weibchen aus der F1 der "Einkreuzung". Oder, wenn wir genügend Becken haben, führen wir beide Möglichkeiten durch. Die zweite Generation (F 2) muss schon Hinweise geben, ob die Einkreuzung ein Erfolg war und die Nachkommen daraus besser sind, als die Tiere aus unserem alten Stamm.
Abb. 1:
Bei diesem ,"Ankreuzen" müssen wir aber darauf achten, dass wir nur solche Tiere verwenden, die unserem Stamm ähnlich sind und die einem erbfesten Stamm entstammen. Nur dann können wir sicher sein, dass sie wirklich das vererben was sie zeigen. Also: Filigran zu Filigran, Rot zu Rot, Grün zu Grün und so weiter.
Abb. 1: Kreuzen eines Männchens an den Stamm.
Der alte Stamm wird wie bisher weitergezüchtet. Das fremde Männchen wird mit Weibchen des alten Stammes gekreuzt. In den nächsten Generationen nehmen wir von dieser neuen Linie nur die Männchen, die Weibchen aber vom alten Stamm.
Und warum verwenden wir meistens nur Männchen zum Einkreuzen? Erstens werden etliche Merkmale beim Guppy nur vom Männchen vererbt (Z.B. Filigran, Doppelschwert, Grün), zweitens fällt es uns immer leichter, bei den Männchen geeignete Tiere zur Weiterzucht herauszufinden.
Dieses Einkreuzen in einen bestehenden Stamm, den wir kennen, weil er unserer ist, ist auf jeden Fall Erfolg versprechender als das Kreuzen von nicht verwandten weitgehend unbekannten Tieren.